Rattchen
Texte

Liebe Zaubermaus!
Zum 3. Todestag einer norwegischen Prinzessin

Denen sich Gott zeigen will, denen ER etwas mitteilen will, zeigt ER sich oft in der unterschiedlichsten Weise.
Denen Christen beispielsweise, die da den Nackten Affen und mithin sich selbst für den Mittelpunkt des Universums halten, gab er seinen Sohn in Menschengestalt. Etwas anderes hätten diese Frauen und Männer auch nicht verstanden. Waren sie doch keine Buddhisten, die in ihre Achtung und ihren Respekt auch das unscheinbarste Wesen mit einschließen.
Zu mit sandte dieser Gott seine Tochter, die mir im grauen Fellchen einer Rattendame begegnete. Vielleicht, weil ich etwas anderes nicht verstanden hätte. Das geduldige Leiden der unschuldigen Kreatur bis zu ihrem Verlöschen – Sinn und Inhalt des christlichen Karfreitags – da mir der Nackte Affe in seinem Wesen fremd bleibt, so blieb mir auch das österliche Mysterium kalt, fremd und abstrakt.
Die kleine Prinzessin aber schuf den Zugang des Herzens zu eben dieser erfüllenden Erkenntnis.
Ob sie mich mit ihrem unendlichen Leidensweg von meinen Sünden erlöste, vermag ich kaum zu sagen. Was aber unbestritten ist: Sie nahm die Last künftiger Sünden von meiner Seele. Denn die Begegnung mit ihr verhalf mir zu einer neuen Sicht der Dinge, zu Seelenfrieden und einer gütigeren Beurteilung der mir zuvor hassenswert erscheinenden Welt. Vor drei Jahren verlosch das Lebenslicht dieser kleinen Fee.
Das Licht ihrer Seele aber strahlt weiter, in jeden Tag, den meine Augen noch sehen werden. Selbst die dunkle Ecke des Todes verliert, ausgeleuchtet von diesem Licht, ihren Schrecken.
Es ist mir eine große Ehre, dem Pfad zu folgen, den ihre Taperfüßchen ebneten.
Über den Abgrund dreier Jahre hinweg, kleine Zaubermaus, fühle ich Dein samtweiches Fellchen, Deine zierlichen Füßchen, rieche den unendlichen Duft Deines Pelzchens und versinke in Deinen kleinen, dunklen Augensternchen.
Das geht nicht vorüber und hilft den Schmerz ragen, den Dein Verlust mir bedeutet.




zum Dritten Todestag